Metabolisches Syndrom: 10 Fragen an Prof. Dr. med. Hilmar Stracke im Experteninterview

Nach unserem Expertentelefon stand uns Prof. Dr. med. Hilmar Stracke für ein Interview zur Verfügung. Professor Stracke ist Arzt für Endokrinologe und Diabetologe sowie Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III der Universität Gießen und Marburg.

1. Kann das Metabolische Syndrom auch dramatisch enden – etwa durch einen plötzlichen Herztod?

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Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Leider ja. Das Metabolische Syndrom erhöht das Risiko für Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems und auch für Herzrhythmusstörungen. Bestimmte Rhythmusstörungen, wie Kammerflimmern, können zum Herzstillstand führen. Auch ein erhöhter Blutdruck kann einen plötzlichen Herztod begünstigen. Wichtig ist bei Risikogruppen, wie Personen mit einem Metabolischen Syndrom, dass kein Mangel an Elektrolyten wie Kalium und Magnesium vorliegt, da dieser Mangel die Entstehung von Herzrhythmusstörungen fördert.

2. Das Metabolische Syndrom geht oft mit Herz-Kreislauf-Problemen einher. Welche Sportarten können beziehungsweise sollten Betroffene ausüben?

Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Sport – in der richtigen Dosierung – ist in der Tat für diese Patienten sehr wichtig und hat einen sehr positiven Einfluss auf das Metabolische Syndrom und das damit verbundene erhöhte Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Allerdings sollten Betroffene keine Extremsportarten durchführen und sich nicht überfordern. Geeignet sind Ausdauersportarten wie Walken, Joggen, Fahrrad fahren oder Schwimmen. Wer mit einem Sportprogramm beginnt, sollte sich vorher vom Arzt untersuchen lassen.

3. Warum ist gerade das Bauchfett so schädlich? Und wie hängt diese Fettverteilung mit den Symptomen des Metabolischen Syndroms zusammen?
Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Das Fettgewebe im Bauchbereich ist im Gegensatz zu anderen Fettgeweben – zum Beispiel an Armen, Beinen oder Hüften – wesentlich gesundheitsschädlicher. Hier werden sehr viele Substanzen ausgeschüttet, die gefäßschädigende Entzündungen verursachen und den Fett- und Zuckerstoffwechsel beeinflussen. Daher sind Diabetes und Fettstoffwechselstörungen häufig die Folge. Um das Risiko für ein Metabolisches Syndrom und für Herz-Kreislauf-Erkrankungen abzuschätzen, ist daher der Bauchumfang aussagekräftiger als das Gewicht. Ein erhöhtes Risiko liegt für Frauen bei einem Bauchumfang von über 88 cm vor. Bei Männern beginnt der Risikobereich über 102 cm.

4. Was kann Magnesium leisten im Kampf gegen das Metabolische Syndrom?
Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Der Mineralstoff Magnesium steuert viele wichtige Enzymreaktionen im Körper und ist für eine reibungslose Herzfunktion unerlässlich. Ein Mangel kann den Zucker- und den Fettstoffwechsel negativ beeinflussen, aber auch den Blutdruck und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen – also insgesamt das Metabolische Syndrom und seine Folgen für Herz und Kreislauf fördern. Studien zeigen, dass eine gute Magnesium-Versorgung mit einem niedrigeren Risiko für ein Metabolisches Syndrom verbunden ist. Offensichtlich verbessert Magnesium auch die Wirkung des zuckersenkenden Hormons Insulin und wirkt so der Insulinresistenz entgegen. Die Insulinresistenz, bei der das Hormon Insulin nicht mehr richtig wirken kann, wird als wesentliche Ursache des Metabolischen Syndroms angesehen.

5. Kann man diese Effekte durch eine magnesiumreiche Ernährung erzielen?
Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Nur bedingt. Gesunde Menschen können ihren Magnesium-Bedarf durchaus über die Nahrung decken, wenn sie sich ausgewogen und vollwertig ernähren und viel magnesiumreiche Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Nüsse zu sich nehmen. Zu beachten ist allerdings, dass der Magnesium-Bedarf unter bestimmten Umständen erheblich ansteigt und dann selbst eine magnesiumreiche Ernährung nicht ausreichen kann. Das ist zum Beispiel bei Stress der Fall, aber gerade auch Patienten mit Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes sind häufig nicht ausreichend mit Magnesium versorgt, da die Erkrankungen oder die Medikamente teils erhebliche Verluste an dem Mineralstoff verursachen können. Für Menschen mit Metabolischem Syndrom, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder einem erhöhten Risiko für diese Erkrankungen ist die ergänzende Einnahme von Magnesium daher empfehlenswert, zum Beispiel durch Präparate, die Magnesium in Verbindung mit Orotsäure als Magnesium-Orotat enthalten. Die Orotsäure unterstützt die Wirksamkeit und die herzschützenden Eigenschaften des Magnesiums.

6. Geht das Metabolische Syndrom immer mit erhöhten Blutzuckerwerten einher?
Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Ein gestörter Zuckerstoffwechsel ist neben Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck ein wesentliches Merkmal des Metabolischen Syndroms. Allerdings wird die Störung des Zuckerstoffwechsels meist nicht im Frühstadium erkannt, sondern in der Regel erst, wenn ein manifester Diabetes besteht. Dem geht aber beim verbreiteten Typ-2-Diabetes schon lange Zeit eine sogenannte gestörte Glukose-Toleranz voraus.

7. Das „Wohlstandssyndrom“ trifft immer mehr junge Leute. Hat das mit einem veränderten Lebens- oder Ernährungsstil zu tun?
Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Ja, leider bewegen sich auch viele junge Menschen durch ein verändertes Freizeitverhalten mit Fernsehen und Computer immer weniger. Gleichzeitig hat sich das Ernährungsverhalten verändert: Fast Food, Fertiggerichte, Limonaden, Chips und Süßigkeiten werden von jungen Menschen häufig konsumiert. Diese Nahrungsmittel sind kalorienreich und gleichzeitig arm an Ballaststoffen und an wichtigen Nährstoffen, wie Magnesium. Dadurch wird Übergewicht und dem Metabolischen Syndrom Vorschub geleistet.

8. Eine Ernährungsumstellung – mit dem Ziel abzunehmen – wird von vielen Menschen als Einschränkung der Lebensqualität empfunden und daher oft nicht dauerhaft umgesetzt. Oder ist zum Beispiel so etwas wie herzgesundes Schlemmen möglich?
Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Man kann natürlich nicht abnehmen und „Schlemmen” wie zuvor. Eine Umstellung der Ernährung ist immer erforderlich, und die fällt den meisten Menschen am Anfang schwer. Meine Erfahrungen aus der Klinik zeigen aber: Wenn die Betroffenen spüren, wie durch das veränderte Ernährungsverhalten und die Gewichtsreduktion das Wohlbefinden steigt und Beschwerden nachlassen, haben sie den Teufelskreis meist durchbrochen und können die neuen Ernährungsgewohnheiten leichter beibehalten. Außerdem kann natürlich auch eine kalorienbewusste, gesunde Kost – zum Beispiel nach mediterranem Vorbild mit viel frischem Obst und Gemüse, Fisch oder magerem Fleisch – sehr schmackhaft sein.

9. Wie kann man frühzeitig abschätzen, ob man ein erhöhtes Risiko für ein Metabolisches Syndrom hat?

Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Wichtig ist, regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung zum Arzt zu gehen und dort den Blutdruck, den Blutzucker und die Blutfette untersuchen zu lassen. Das gilt insbesondere für Gefährdete, also Personen, deren Problemzone der Bauch ist und / oder deren Angehörige bereits an Symptomen des Metabolischen Syndroms oder an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden.

10. Wie kann man am effektivsten vorsorgen, damit es erst gar nicht zu Wohlstandserkrankungen kommt?
Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Das A und O ist der Lebensstil. Mit ausreichender Bewegung und einer ausgewogenen, kalorienbewussten, vitamin- und mineralstoffreichen Ernährung kann man das gefährliche Bauchfett reduzieren und dem Metabolischen Syndrom erfolgreich entgegenwirken. Der Speiseplan sollte möglichst wenig tierische Fette, Zucker und Weißmehlprodukte enthalten, dafür aber viel frisches Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, mageres Fleisch und Fisch, fettarme Milchprodukte und hochwertige Pflanzenöle. Auf jeden Fall ist auch auf eine ausreichende Versorgung mit Magnesium zu achten.

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