BAG Wohnungslosenhilfe schätzt: 284.000 Menschen wohnungslos, Tendenz steigend

Die BAG Wohnungslosenhilfe (BAG W), der Dachverband der Wohnungslosenhilfe in Deutschland, sieht einen drastischen Anstieg der Wohnungslosigkeit in Deutschland: 2012 waren ca. 284.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung, 2010 waren es noch 248.000 – ein Anstieg um ca. 15 %. Die BAG W prognostiziert bis 2016 sogar einen weiteren Anstieg der Wohnungslosigkeit um ca. 30 % auf dann 380.000 Menschen.

„Wir müssen leider davon ausgehen, dass das Ausmaß der Wohnungslosigkeit zwischen 2010 und 2012 sogar noch dramatischer gestiegen ist als erwartet“, erklärte Thomas Specht, Geschäftsführerder BAG W. In Deutschland gibt es keine bundeseinheitliche Wohnungsnotfall-Berichterstattung auf gesetzlicher Grundlage. Seit Jahren fordert die BAG W die jeweiligen Bundesregierungen auf, umgehend einen entsprechenden Gesetzesentwurf ins Parlament einzubringen. Solange dieser Missstand besteht, muss die BAG W Schätzungen vornehmen, um überhaupt zu einer bundesweiten Bewertung der Situation kommen zu können.

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Anzahl der Wohnungslosen in Deutschland bis 2012


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Anstieg der Zwangsräumungen und „kalten“ Wohnungsverluste

Insgesamt gab es 65.000 neue Wohnungsverluste in 2012, darunter ca. 25.000 (38 %) Zwangsräumungen und ca. 40.000 (62 %) „kalte“ Wohnungsverluste. Bei „kalten“ Wohnungsverlusten kommt es nicht zu Zwangsräumungen, sondern der/die Mieter „verlassen“ die Wohnung ohne Räumungsverfahren oder vor der Zwangsräumung. Dies tritt vor allem bei alleinstehenden Mietern auf.

Gleichermaßen Anstieg in Ost- und Westdeutschland

In Ostdeutschland gab es ca. 35.000 (+ 5.000) und in Westdeutschland ca. 249.000 (+33.000) wohnungslose Menschen. Auch die Zahl der Menschen, die ohne jede Unterkunft auf der Straße leben, stieg von ca. 22.000 in 2010 auf ca. 24.000 in 2012 – eine erneute Steigerung um ca. 10 %!

10 % der Wohnungslosen sind minderjährig

Ca. 178.000 (64 %) wohnungslose Bürger sind alleinstehend, 106.000 (36 %) leben mit Partnerund/oder Kindern. Bezogen auf die Gesamtgruppe der im Jahr 2012 Wohnungslosen schätzt die BAG W die Zahl der Kinder und minderjährigen Jugendlichen auf 11 % (32.000), die der Erwachsenen auf 89 % (252.000). Der Anteil der erwachsenen Männer liegt bei 75 % (189.000); der Frauenanteil liegt bei 25 %(63.000). Die Dienste der frei-gemeinnützigen Wohnungslosenhilfe betreuten ca. 140.000 Menschen aus diesem Bereich.

Zahl der bedrohten Wohnverhältnisse steigt ebenfalls deutlich

Insgesamt gab es 414.000 Wohnungsnotfälle. Weitere ca. 130.000 Menschen waren in 2012 (2010: 106.000) von Wohnungslosigkeit bedroht, d.h. bei ihnen stand der Verlust der Wohnung unmittelbar bevor. In 2012 zählten demnach insgesamt ca. 414.000 Menschen zu den sog. Wohnungsnotfällen, also akut Wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit Bedrohte, in 2008 waren es noch 354.000.

Prognose bis 2016

Bis zu 380.000 wohnungslose Menschen prognostiziert die BAG W bis 2016 in Deutschland. Angesichts der sozialen und politischen Rahmenbedingungen werden sich die beschriebenen Trends weit über 2012 hinaus fortsetzen, so dass mit einem weiteren Anstieg zu rechnen ist. Ursachen für die steigende Zahl der Wohnungslosen sind vor allem hohe Mieten, Verarmung und Fehlentscheidungen bei Hartz IV

Nach Meinung der BAG W sind im Wesentlichen fünf Faktoren maßgeblich für den dramatischen Anstieg der Wohnungslosenzahlen und dessen Fortsetzung in den kommenden Jahren:

  • das extreme Anziehen der Mietpreise, ins. in den Ballungsgebieten bei gleichzeitig verstärkterZunahme der Verarmung der unteren Einkommensgruppen
  • ein unzureichendes Angebot an preiswertem Wohnraum in Verbindung mit dem ständigschrumpfenden sozialen Wohnungsbestand, dem nicht durch Neubau und soziale Wohnungspolitikgegengesteuert wurde
  • Verarmung der unteren Einkommensgruppen in engem Zusammenhang mit der Dauerkriseam Arbeitsmarkt, die nicht zu einem Absenken der Zahl der Langzeitarbeitslosen geführt hat.Zugleich hat sich der Niedriglohnsektor aufgrund eines fehlenden Mindestlohns weiter extremausgedehnt.
  • andauernde schwerwiegende sozialpolitische Fehlentscheidungen bei Hartz IV: Sanktionierungauch bei den Kosten der Unterkunft von jungen Erwachsenen, unzureichende Anhebungdes ALG II – Regelsatzes, Zurückfahren der Arbeitsförderungsmaßnahmen
  • unzureichender Ausbau von Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlusten inKommunen und Landkreisen. In vielen Fällen könnte bei Meldung des drohenden Wohnungsverlustesan eine entsprechende Fachstelle Wohnungslosigkeit vermieden werden.

Doch viel zu wenige Kommunen und Landkreise, insbesondere in Ostdeutschland, machen von den gesetzlichen Möglichkeiten (SGB II und SGB XII) zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit Gebrauch. Deswegen fordert die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. folgende Sofort-Maßnahmen gegen den weiteren Anstieg der Wohnungslosigkeit:

  • eine feste Verankerung der Wohnungspolitik auf der Ebene des Bundes
  • eine aktive soziale Wohnungsbaupolitik der Länder und KommunenPressemitteilung BAG W
  • alle Länderregierungen und die Bundesregierung sind gefordert, umgehend eine Wohnungsnotfallstatistik einzuführen. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland mit einer solchen Wohnungsnotfallstatistik. Andere Bundesländer können dieses Modell sofort übernehmen.
  • verbindliche Kriterien zur Festlegung der Mietobergrenzen
  • keine Pauschalierung der Kostender Unterkunft
  • eine sozialräumliche Differenzierung dieser Mietobergrenzen sowie Einzelfallprüfungen zur Angemessenheit der Miete und die Übernahme von Schulden für Unterkunft und Heizung auch als Beihilfe im SGB II
  • eine Mietpreisbremse, die den Anstieg von Neu- und Wiedervermietungsmieten bei 10 % überder ortsüblichen Vergleichsmiete deckelt (siehe Entwurf Koalitionsvertrag 2013 Kapitel 4.2 )
  • einen konsequenten Ausbau der Prävention von Wohnungsverlusten, u. a. durch ein Programm des Bundes und der Bundesländer zum Auf- und Ausbau von Zentralen Fachstellen zur Vermeidungvon Wohnungsverlusten

Informationen der Redaktion zu Leipzig

Die Stadt Leipzig vertreten durch das Amt für Wahlen und Statistik erfasst im statistischen Jahrbuch nicht die genaue Zahl der Wohnungslosen in Leipzig sondern lediglich die Anzahl der Räumungsklagen, Zwangsräumungen sowie der Übernachtungen und der übernachteten Personen in Einrichtungen für die Wohnungslosenhilfe. (Statistisches Jahrbuch Kapitel 4 Unterpunkt 36 (436): Einrichtungen und Hilfen für Wohnungsnotfälle 2008 bis 2012 ). Außerdem wird die Anzahl der registrierten Beratungsgespräche mit Wohnungsnotfällen beim Sozialdienst Wohnungsnotfallhilfe erfasst.

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