Bundessozialgericht entscheidet: Kinderwunschbehandlung als Kassenleistung für unverheiratete Paare

Am Dienstag, dem 18. November 2014, entscheidet sich das Schicksal zahlreicher unverheirateter Paare mit Kinderwunsch. Das Bundessozialgericht in Kassel wird darüber entscheiden, ob die Betriebskrankenkasse Verkehrsbau Union (BKK·VBU) endlich allen Paaren einen erhöhten Zuschuss zur Kinderwunschbehandlung zahlen kann. Sie kämpft seit Mitte 2012 dafür, dass auch Frauen und Männer, die nicht miteinander verheiratet sind, ein Kostenzuschuss in Höhe von 75 Prozent gewährt werden kann. Bisher darf die bundesweit tätige Krankenkasse nur Ehepaare unterstützen. Die öffentliche Verhandlung vor dem Bundessozialgericht beginnt um 13 Uhr.

Die BKK·VBU setzt sich seit zwei Jahren dafür ein, die Möglichkeiten des Versorgungsstrukturgesetzes ausschöpfen zu dürfen. Darin eröffnete eine Ermächtigungsgrundlage für freiwillige Satzungsleistungen (§ 11 Abs. 6 SGB V) die Chance, , zusätzliche Leistungen u.a. im Bereich der künstlichen Befruchtung per Satzung vorzusehen. Die BKK·VBU war eine der ersten Krankenkassen, die auf diesem Gebiet aktiv wurde: Einstimmig beschloss der Verwaltungsrat, den gesetzlich vorgesehenen Zuschuss zur Kinderwunschbehandlung freiwillig von 50 auf 75 Prozent zu erhöhen. Zudem erweiterte sie den Kreis der Anspruchsberechtigten: So können Frauen und Männer den Zuschuss zur künstlichen Befruchtung schon ab 19 Jahren erhalten, wenn sie miteinander verheiratet und beide bei der BKK·VBU versichert sind. Beide Satzungsänderungen genehmigte das zuständige Bundesversicherungsamt (BVA) problemlos.

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Urteil mit Signalwirkung

Abgelehnt wurde aber der Antrag, auch Paaren ohne Trauschein die Kinderwunschbehandlung zu bezuschussen. Das nahm die BKK·VBU nicht hin und klagte vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg gegen diese Entscheidung des BVA. Jedoch gaben die Richter am 13. Juni 2014 der Aufsichtsbehörde Recht. Diese hatte vorgebracht, dass die BKK·VBU ihre Befugnisse überschreite. Die BKK·VBU habe praktisch einen neuen Versicherungsfall geschaffen, da der Gesetzgeber als eine der Voraussetzungen für eine Bezuschussung der Kinderwunschbehandlung durch die gesetzlichen Krankenkassen ausdrücklich die Ehe genannt habe (§ 27 a SGB V). Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils ließ das Gericht Revision vor dem höchsten deutschen Sozialgericht zu.

Hoffen auf höchstrichterliche Entscheidung

„Am 18. November 2014 wollen wir unsere Rechtsauffasssung deutlich machen“, erklärt Helge Neuwerk, Stellvertreter des Vorstands der BKK·VBU. Es gehe lediglich um einen finanziellen Zuschuss zur Kinderwunschbehandlung durch die Krankenkasse. Grundsätzlich dürften unverheiratete Paare in Deutschland selbstverständlich eine künstliche Befruchtung vornehmen lassen – aber nur als Selbstzahler. „Wir verändern weder Art noch Funktion der Krankenkassenleistung ‚Künstliche Befruchtung‘, wenn wir sie auch Paaren ohne Trauschein gewähren“, macht Neuwerk deutlich. Es werde weiterhin nur die homologe Insemination als Methode der künstlichen Befruchtung bezuschusst und die Krankenbehandlung komme nur für solche Paare infrage, die unfähig sind, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen. Erst daraus resultiere ja die Notwendigkeit einer Kinderwunschbehandlung. „Hätte der Gesetzgeber wirklich gewollt, dass nur Ehepaare von Mehrleistungen infolge des Versorgungsstrukturgesetzes im Bereich der künstlichen Befruchtung profieren sollen, hätte er das auch ins Gesetz geschrieben“, ist sich Helge Neuwerk sicher. „Wir hoffen für die mehr als 900 unverheirateten Paare, die bislang bei uns einen Antrag auf Bezuschussung ihrer Kinderwunschbehandlung gestellt haben, ihnen endlich ein positives Signal geben zu können.“

„Freitag, der 13.“ für den Kinderwunsch: BKK VBU unterliegt abermals im Streit für Unverheiratete

Lange gekämpft und doch verloren: „Wir können nicht verstehen, dass die Richter heute nicht im Sinne der Versicherten entschieden haben.“ Helge Neuwerk, Stellvertreter des Vorstands der Betriebskrankenkasse Verkehrsbau Union (BKK VBU), zeigte sich nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) enttäuscht. Das oberste Sozialgericht hat endgültig entschieden, dass die bundesweit tätige BKK VBU die Kinderwunschbehandlung für Paare ohne Trauschein nicht bezuschussen darf. „Wir haben den Eindruck, dass das Gesetz auf Kosten der Betroffenen in eine bestimmte Richtung ausgelegt wird, weil sonst auch alle anderen Voraussetzungen zur Finanzierung der künstlichen Befruchtung zu Disposition stehen könnten“, sagte Neuwerk.

Die BKK VBU hatte auf Grundlage des Versorgungsstrukturgesetzes ihr Leistungsangebot im Bereich der künstlichen Befruchtung freiwillig ausgeweitet. Seit Mai 2012 übernimmt sie statt der üblichen 50 Prozent der Kosten einer Kinderwunschbehandlung 75 Prozent, zudem gilt die Regelung auch für verheiratete Paare ab 19 Jahren. Beide Satzungsleistungen hatte die zuständige Aufsichtsbehörde, das Bundesversicherungsamt genehmigt. Strittig war bis heute nur die Frage, ob die BKK VBU auch Paaren, die nicht miteinander verheiratet sind, einen Zuschuss zur künstlichen Befruchtung zahlen darf.

Wenn das Runde nicht ins Eckige passt

Das BSG wies heute die Klage ab. Das Versorgungsstrukturgesetz (§ 11 Abs. 6 SGB V) habe den Krankenkassen zwar im Bereich der künstlichen Befruchtung mehr Handlungsspielräume eröffnet, diese dürften sich aber nur innerhalb des vorgegeben gesetzlichen Rahmens bewegen. In Bezug auf die künstliche Befruchtung heiße es im Gesetz eindeutig: Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind (§ 27a SGB V).

„Wenn das so wäre, warum hat die Regierung dann nicht einfach ins Gesetz geschrieben: Die Krankenkassen dürfen nur die Höhe des Zuschusses zur Kinderwunschbehandlung verändern – sonst nichts“, fragt sich Helge Neuwerk. Bei der Krankenversicherung gehe es um Leistungen, die aufgrund medizinscher Notwendigkeiten erbracht würden. „Wir haben das ganze Sozialgesetzbuch durchforstet und können keine Leistung finden, bei der der Trauschein Bedingung ist.“  Im Übrigen laute auch die Überschrift des § 27a „Künstliche Befruchtung“ und nicht „Leistungen für Ehepaare“.

Jede 40. Geburt in Deutschland entsteht aktuell aus einer künstlichen Befruchtung. Laut Statistischem Bundesamt stieg der Anteil der nichtehelich geborenen Kinder von 7,2 Prozent im Jahr 1970 auf 34,5 Prozent im Jahre 2012. „Jetzt ist unbedingt eine Gesetzesänderung nötig“, betont Neuwerk. Die Politik versucht in allen möglichen Bereichen Reglungen zu schaffen, die dazu führen, dass sich wieder mehr Paare für ein Baby entscheiden. „Auch wir wollten mit unserer freiwilligen Leistung dazu beitragen, dass wieder mehr Frauen und Männer ‚Ja‘ zum Baby sagen“, erklärt Helge Neuwerk. Besonders traurig findet Neuwerk die Entscheidung für die rund 900 unverheirateten Paare, die bei der BKK VBU einen Antrag auf Bezuschussung der Kinderwunschbehandlung gestellt haben.

„Wir werden jetzt versuchen, uns politisch für eine gerechte und zeitgemäße Regelung einzusetzen“, kündigte Neuwerk an. Denn die aktuelle gehe völlig an der Lebenswirklichkeit vorbei oder, so Neuwerk, „um aus der Zuschrift einer 75-Jährigen zu zitieren, sie ist einfach mittelalterlich“.

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