Rheuma bedeutet: Akute Phasen werden von entzündlichen Reaktionen begleitet – verbunden mit reißenden Schmerzen, Schwellungen, Überwärmung, Rötungen, Spannungsgefühlen und deutlichen Bewegungseinschränkungen. Kaltes und feuchtes Wetter verschärft rheumatische Beschwerden. Linderung suchen Patienten bei Experten, wie Dr. med. Peer Malte Aries, der als niedergelassener Rheumatologe in einer internistischen Schwerpunktpraxis und Tagesklinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie in Hamburg praktiziert. Nach den Leserfragen zum Expertenchat finden sie hier nun im Experteninterview Antworten rund um das Thema Rheuma:
- Warum sollten rheumatische Erkrankungen möglichst frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden? Dr. med. Peer Malte Aries: Eine späte Diagnose hat nicht nur zur Folge, dass die Patienten länger mit den unbehandelten Schmerzen leben müssen. Auch für die Langzeitprognose der Erkrankung hat dies große Bedeutung. Wir sprechen dabei von einem „Window of Opportunity“, einem Zeitfenster zu Beginn der Krankheit, in dem wir die Chance haben, die Erkrankung noch optimal zu behandeln. Setzen wir unsere Medikamente zu spät ein, benötigen die Patienten stärkere Präparate oder höhere Dosierungen zur Behandlung oder es sind sogar schon Gelenkzerstörungen aufgetreten, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.
- Wie verlaufen entzündlichen Rheumaformen wie Rheumatoide Arthritis (RA), Psoriasis Arthritis (PsA) oder Ankylosierende Spondylitis (AS)? Dr. med. Peer Malte Aries: Es handelt sich dabei um drei unterschiedliche rheumatische Erkrankungen, die zwar alle mit einer Entzündung in den Gelenken einhergehen, aber sich in der Verlaufsform deutlich unterscheiden. So betrifft die Rheumatoide Arthritis vor allem die Hand- und Fußgelenke, dagegen sind bei der ankylosierenden Spondylitis vor allem die Gelenke der Wirbelsäule befallen. Darüber hinaus unterscheiden sich die drei Erkrankungen auch hinsichtlich des Risikos, mit dem es zu Gelenkzerstörungen oder Gelenkversteifungen kommt. Es ist heute eine der schwierigsten Aufgaben der Rheumatologen, den individuellen Krankheitsverlauf eines jeden Patienten möglichst genau einzuschätzen. Wir versuchen dies anhand von Laborwerten und Röntgenbefunden, um dann unsere Therapie dementsprechend anzupassen.
- Auch bei Arthrose können Entzündungen auftreten. Wodurch unterscheiden sich die Behandlungskonzepte bei Arthrose und Arthritis? Dr. med. Peer Malte Aries: Grob unterschieden, handelt es sich bei der Arthritis um eine Entzündung, die durch das körpereigene Immunsystem gesteuert wird. Das Immunsystem ist ein komplexes Netzwerk aus Blutzellen, inneren Organen und Lymphkoten, das als biologisches Abwehrsystem gilt. Unter bestimmten Voraussetzungen kämpft das Immunsystem nicht nur gegen fremde Eindringlinge (Bakterien, Viren), sondern auch gegen den eignen Körper – in diesem Fall das Gelenk. Als Arthrose bezeichnen wir dagegen Gelenkerkrankungen, bei denen es zu einem übermäßigen Verschleiß der Gelenke kommt. Die Gelenke verformen sich, sodass keine reibungsfreie Beweglichkeit mehr gewährleistet ist. Kommt es durch die Reibung zu einer Überwärmung und Entzündung des Gelenkes, spricht man von einer aktivierten Arthrose.
- Muss eine gezielte Rheumatherapie in jedem Fall bzw. dauerhaft von Schmerzmitteln begleitet werden? Dr. med. Peer Malte Aries: Nein, denn Schmerzmedikamente wirken überwiegend nur schmerzstillend und weniger oder gar nicht entzündungshemmend. Wir versuchen heute, rheumatische Erkrankungen wie die Rheumatoide Arthritis vor allem mit entzündungshemmenden Therapien zu behandeln. Wenn wir die Entzündung stoppen, hat der Patient nämlich keine Schmerzen mehr. Langfristig führt unser Ansatz auch dazu, Gelenkzerstörungen zu verhindern. Schmerzmedikamente dienen nur noch als eine Art Brückentherapie, um die Zeit bis zum Wirkungseintritt der Entzündungshemmer zu überbrücken. Dauertherapien versuchen wir dabei zu vermeiden.
- Welche Vorteile bieten moderne Biologika gegenüber älteren Behandlungsmethoden? Mit welchen Nebenwirkungen muss man rechnen? Dr. med. Peer Malte Aries: Die TNF-alpha-Blocker waren die ersten Medikamente, die zu einer neuartigen Gruppe der Rheumatherapien gehörten, den Biologika. Sie haben das Potenzial, die Krankheit nicht nur – wie bisher üblich – positiv zu beeinflussen, sondern tatsächlich bei einem größeren Anteil der Patienten zu stoppen. Auch diese sehr effektive Therapie ist nicht ohne Risiko. Insbesondere ist eine erhöhte Infektionsgefahr wie zum Beispiel bakterielle Entzündungen der Lunge oder der Nasennebenhöhlen zu beachten. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, dass im Vorfeld einer solchen Therapie Maßnahmen ergriffen werden, um das individuelle Risiko des Patienten abzuschätzen und möglicherweise vorsorgliche Impfungen vorzunehmen.
- Bei den TNF-alpha-Blockern gibt es verschiedene Substanzen. Wie unterscheiden sich die gängigsten Wirkstoffe? Dr. med. Peer Malte Aries: Alle TNF-alpha-Blocker sind gentechnisch hergestellte Eiweiße, deren Grundgerüst aus einem Antikörper besteht. Allen gleich ist die Eigenschaft, den Entzündungsbotenstoff TNF-alpha zu blockieren. Der genaue strukturelle Aufbau des jeweiligen Wirkstoffs ist entscheidend für die Wirkung und auch für die Nebenwirkungen. So entscheidet die Struktur zum Beispiel auch darüber, wie intensiv die Wirkung ist, wie lange das Medikament wirkt und ob das Medikament unter die Haut oder intravenös verabreicht wird. Davon abhängig ist dann auch die Dosis und die Häufigkeit der Therapie, ob wöchentlich, alle zwei Wochen oder nur einmal im Monat in Spritzenform, oder alle acht Wochen als Infusion. Die Auswahl des Medikaments sollte also individuell zwischen Patient und Arzt hinsichtlich Wirkung, Verträglichkeit und Anwenderfreundlichkeit abgestimmt werden.
- Wie lässt sich das Übergreifen der Rheumaerkrankung auf innere Organe verhindern? Dr. med. Peer Malte Aries: Mit einer effektiven Therapie können wir inzwischen den Verlauf der Erkrankungen beeinflussen und somit auch das Übergreifen der Entzündung auf die inneren Organe verhindern. Dabei geht es nicht nur darum, dass die rheumatische Entzündung innere Organe angreift. Es ist auch möglich, dass die Entzündung beispielsweise zu einer klebrigen Oberfläche der Blutgefäße führt, sich dadurch Cholesterin leichter in den Blutgefäßen ablagert und diese im schlimmsten Fall verstopft. Die Hemmung der Entzündung kann somit auch für eine Verringerung von Herzinfarkten und Schlaganfällen bei rheumatologischen Patienten sorgen.
- Welche Rolle spielen Behandlungsmethoden wie Krankengymnastik, Physiotherapie und Sport für den Erfolg der Therapie? Dr. med. Peer Malte Aries: Die Bewegungstherapien sind wesentlicher Bestandteil der rheumatologischen Versorgung. Dabei muss den Patienten klar sein, dass Krankengymnastik alleine die rheumatische Entzündung in den Gelenken nicht stoppen kann. Dafür brauchen wir effektive entzündungshemmende Medikamente. Durch die Bewegungstherapie können wir aber verhindern, dass die Entzündungen zu einer Verkürzung der Sehnen und zu Schonhaltungen führen. Eine Kombination aus Bewegung und medikamentösen Therapien hat den größten Erfolg – kurz- und langfristig. Wichtig ist aber, dass die Bewegungstherapie nicht nur daraus besteht, einmal in der Woche einen Termin bei der Krankengymnastik zu haben, sondern dass die Übungen auch selbstständig und wiederholt im häuslichen Bereich fortgesetzt werden. Unterstützung kann dabei auch die Rheumaliga leisten, die eine speziell auf den Rheumatiker abgestimmte Gruppentherapie anbietet.
- Ist bei Rheumatikern auch die Ernährung relevant? Was sollte man meiden, um Entzündungen im Körper nicht anzufachen? Dr. med. Peer Malte Aries: Die Ernährung ist ein wichtiges Thema. Wirklich gute wissenschaftliche Studien zum Einfluss auf rheumatische Entzündungen gibt es jedoch nur wenige, was auch darin begründet ist, dass es schwer ist, die Ernährung der Patienten komplett zu überwachen und gegeneinander auszutesten. Unsere Erkenntnisse sprechen aber dafür, dass eine mediterrane Kost und / oder die Einnahme von Omega-3-Festtäure antientzündlich wirken können. Generell sind Alkohol, rotes Fleisch wie Rind und Schwein sowie Zucker eher zu meiden, dafür sind Fisch und pflanzliche Öle wie Walnussöl empfehlenswert.
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