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In den letzten 10 Jahren wurden die Rufe nach Verbesserungen für pflegende und ihre Angehörigen immer lauter. Mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz ab Januar 2015 traten vor allem für Menschen, die häuslich gepflegt und betreut werden viele Verbesserungen in Kraft. Es ging vor allem um mehr Geld und um mehr Anerkennung. Die Leistungen wurden rigeros aufgestockt. Die Kurzzeitpflege wurde auf bis zu 6 Wochen verlängert, die Beträge erhöht. Nebenbei gibt es hälftig das Pflegegeld weiter. Auch das Pflegegeld wurde entsprechend in den Pflegestufen erhöht. Ebenso wurde besonderes Augenmerk auf Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI gelegt. Und alles nur, um die qualitativ bessere Versorgung von Pflegebedürftigen zu gewährleisten.
Wer meint, dass hier nur von älteren Menschen die Rede ist, irrt. Profitieren können alle, die Leistungen von der Pflegekasse beziehen. Eltern mit behinderten Kindern profitieren genauso, wie junge Volljährige bis hin eben zum pflegebedürftigen Ehepartner, Bruder, Mutter, Schwester oder den Großeltern.
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Was ist seitdem passiert?
Mehr Geld bedeutet leider wie immer nicht, dass sich die Situation der Pflegebedürftigen verbessert hat. Natürlich spielen hier viele Faktoren eine Rolle. Zum einen wissen viele, die neu von der Situation mit zu pflegenden Angehörigen überrascht werden oft nicht, welche Leistungen ihnen überhaupt zu stehen und wie sie diese optimal beantragen können. Hier bietet sich vor allem Pflegeberatung nach § 7a SGB XI an. Seit 2009 haben pflegebedürftige bereits einen Rechtsanspruch auf individuelle, unabhängige und kostenlose Beratung.
Um wohnortnahe Beratung zu gewährleisten wurden z.b. sogenannte Pflegestützpunkte eingerichtet. Eine Bevölkerungsbefragung der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) zeigt jedoch, dass
- der Rechtsanspruch auf Pflegeberatung knapp 60% der Deutschen unbekannt ist
- nur 25 % der Befragten eine auf Pflege spezialisierte wohnortnahe Beratungsstelle kennen
- nur 8 % einen konkreten Pflegestützpunkt nach § 92c SGB XI kennen
- nur 15% der Meinung sind, Beratung beim Hausarzt oder Pflegedienst reichen aus
- jedoch 76% aller Deutschen das Bedürfnis haben, sich selbst über Hilfestellung und Unterstützung zu Pflegeangeboten zu informieren, um selbstständig entscheiden zu können, wie die Versorgung im Pflegefall sichergestellt werden soll.
So befürworten 57% der Bundesbürger spezialisierte, unabhängige, kostenneutrale und wohn- bzw. arbeitsortnahe Beratungsangebote. 53 % der Befragten bevorzugen eine persönliche Beratung entgegen Online- und Telefon-Beratung.
Scheinbar finden also pflegende Angehörige und die Leistungen der Pflegekassen nicht wirklich passgenau zueinander. Auf der einen Seite bleibt stets ein sehr hoher Informationsbedarf und auf der anderen Seite gibt es tausende von redaktionellen Beiträgen, Broschüren und Checklisten, die mit viel Geduld online und offline verteilt werden bzw. abrufbar sind. Eine Diskrepanz scheint jedoch vor allem dort zu entstehen, wo auch trotz guter Informationen Leistungen nicht abgerufen werden.
Kurzzeitpflege – eine Auszeit für alle!
Wie der Tagesspiegel vor kurzem berichtete, ergibt sich solche Diskrepanz vor allem, wenn man die Statistiken des Bundesgesundheitsministeriums zur Inanspruchnahme von Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege anschaut. Im Jahr 2014 nutzten von etwa 1,95 Millionen zu Hause versorgten Pflegebedürftigen lediglich 106 700 die sogenannte Verhinderungspflege zur Entlastung pflegender Angehöriger. Das sind gerade mal 5,4 %. Hochgerechnet ließen sich pflegende Angehörige dadurch Hilfen im Wert von bis zu 2,86 Milliarden Euro entgehen.
Natürlich kann man nicht allein dem pflegebürftigen anlasten, dass er (s)eine Pflegeperson nicht in den sprichwörtlichen Urlaub schickt oder /und auch für Verhinderungen jeglicher Art eine Ersatzpflege in Anspruch nimmt. Oft liegt es vor allem an den pflegenden Angehörigen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen gegen eine Kurzzeitpflege oder Verhinderungspflege entscheiden.
Von Quantität und Qualität
Zum einem gibt es sicher nicht an jeder Stelle ein geeignetes Angebot. Das fussläufige Kriterium wohnortnahe Betreuung ist gerade in Pflege ebenso wie bei Kinderbetreuung nicht wirklich zu erfüllen. Zum anderen scheuen sich viele jemanden Fremdes, wie einen Pflegedienst, in seine eigenen 4 Wände schauen zu lassen. Außerdem wollen viele den Sohn, die Partnerin oder den Vater nicht so ohne weiteres und auch nicht Kurzzeit in eine spezialisierte Einrichtung geben. Generell fällt es vielen Angehörigen schwer, die Lebensentwürfe im Rahmen einer plötzlichen oder lebenslangen Pflege aktiv neu oder anders zu gestalten.
Patientenrechtler und Pflegebeauftragte sehen daher die Pflegekassen, Pflegeberater und das Gesundheitsministerium tiefer in der Pflicht über die Angebote nicht nur zu informieren sondern auch beim Ausfüllen der Anträge zu helfen. Hier muss man allerdings auch weiter denken. Gerade im Bezug auf die Familienpflegezeit wurde deutlich, dass proaktive Modelle, die es erfordern, dass man mit seinem Arbeitgeber ins Gespräch kommt und gemeinsam gestaltet die Nutzungsquote seit der Einführung im Keller ließen.
Wer die Wahl hat, hat die Qual oder auch nicht?!
Nur wer wirklich keine Wahl hatte, so schien es, nahm sich diese noch nicht rechtlich verbriefte Auszeit. Viele Organisationen, Organe und Parteipolitiker drängten ihrerseits in 2014 auf die Einführung des Rechtsanspruches und auf die Umgestaltung. Die Familienpflegezeit sollte kein kann sondern ein muss werden, weil man davon ausging, dass die Menschen es dann noch viel mehr in Anspruch nehmen. So wurde ab 2015 weg von der Entscheidung und Finanzierung des Arbeitgebers ein Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit eingeführt.
In Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten kann man sich auf jeden Fall als Beschäftigter um pflegebedürftige Angehörige bis zu 2 Jahre kümmern, wenn man den möchte. Ob das die Nutzungszahlen in die erwartete Höhe treibt, bleibt abzuwarten.
Nachbarschaftshilfe und Alltagsbegleitung
Unlängst steht es in vielen Koaltionsverträgen von Bund und Ländern geschrieben: Pflege soll vor allem im häuslichen Umfeld erbracht werden. Den wachsenden Zahlen zufolge wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2050 mehr als verdoppeln. Unmöglich scheint es in jeder Region und vor Ort ambulante und stationäre Pflegeangebote in den dafür erforderlichen Mengen zu schaffen. Es wird vielerorts auf Nachbarschaftshilfe und Ehrenamt für kleines Geld abgestellt. Im Land Sachsen ist es im Rahmen einer Gesetzesänderung möglich, dass sich auch engagierte Einzelpersonen zu Nachbarschaftshelfern und Alltagsbegleitern ausbilden lassen. Stundenweise verbringen sie Zeit mit dem Pflegebedürftigen für nicht pflegerische Leistungen, wie Vorlesen, Begleitung bei Ausflügen oder zu Gesprächen. Sie aktivieren und unterstützen.
Die Nachbarschaftshilfe entlastet vor allem Pflegepersonen. Die Leistungen, welche ein Nachbarschaftshelfer erbringt, können Pflegebedürftige der Pflegestufen „0“,I,II und III in häuslicher Pflege in Anspruch nehmen. Die Aufwandsentschädigung für den Nachbarschaftshelfer bzw. Alltagsbegleiter liegt bei bis zu 10 Euro pro Stunde. Mit dem einfachen oder erhöhten Entlastungsbetrag können ab 1.1.2015 für niedrigschwellige Entlastungsleistungen 104 oder 208 Euro in Anspruch genommen werden. Je nach Stundensatz ergeben sich bis zu 10 bzw. 20 Stunden Unterstützung für den pflegenden Angehörigen.
Viel Geld im System
Pflege zu gestalten, ist in jedem Fall eine aktiver Prozess. Im System Pflege sind Unmengen von finanziellen Mitteln. Jeder ist in der Pflicht sich selbst über im Umlauf befindliche Gelder und Leistungen zu informieren. Der Wille, dass jeder (s)ein individuell auf ihn abgestimmtes Pflegekonzept erhält, sollte alle am System beteiligten leiten. Ausgehend von den Wünschen und Bedürfnissen des Pflegebedürftigen muss dieses Pflegekonzept erstellt, geplant und umgesetzt werden. Die Selbstständigkeit und die Aktivierung steht im Mittelpunkt.
Pflegende Angehörige sind mit im Boot! Jedoch können und dürfen sie die Brücke mal für ein paar Stunden oder Wochen abgeben. Hilfen, wie Pflegeberatung, Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege, Pflegesachleistungen und Nachbarschaftshilfen sind nicht nur eine Entlastung für den pflegenden sondern unter Umständen auch für den Pflegebedürftigen. Erste Anlaufstellen sind die Pflegekassen, die vollumfänglich über Leistungen informieren müssen.
Betreute Mitarbeiter, die bereits durch ihren Arbeitgeber Kunde im Familienservice der familienfreund KG sind, können ihre Fragen rund um Pflege jederzeit an die Mitarbeiterbetreuung stellen.
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