Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff geht in die Erprobung

In 2 Modellprojekten wird ab jetzt der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff erprobt. Die Durchführung übernimmt der GKV-Spitzenverband. Sie dienen der wissenschaftlichen Erprobung und Überprüfung eines neuen Begutachtungsverfahrens, das mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff in dieser Legislaturperiode eingeführt wird. Ziel ist es, die Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen schon zum 1. Januar 2015 deutlich zu verbessern.

Vom Pflegebahr zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff

Alles neu in der Pflege hieß es erst ab 1.1.2013. Das Ziel war damals wie heute die Leistungen für Pflegebedürftige und deren Angehörige zu verbessern. Ein Fokus lag auf der Einführung der sogenannten Pflegestufe 0 für Demenzkranke. Mehr Pflegegeld erhielt man, wenn man eine eingeschränkte Alltagskompetenz nachweisen konnte. Der berechtigte Personenkreis definiert sich nach § 45a SGB XI. Auch für Angehörige gab es zahlreiche Verbesserungen.

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Schon damals rumorte es bei Verbänden und in den Haushalten. Alles nicht genug. Die Veränderungen müssten weitreichender und sich dem steigenden Pflegebedarf angepassen. Am 27. Juni 2013 legte der von Daniel Bahr (FDP) beauftragte Expertenbeirat einen Vorschlag zur konkreten Ausgestaltung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff vor.  Darin ist vorgesehen das bisherige System der drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade zu ersetzen. Dadurch kann dem individuellen Unterstützungsbedarf aller Pflegebedürftiger besser Rechnung getragen werden. Neben körperlichen Einschränkungen werden auch Einschränkungen einbezogen, die etwa bei Demenzkranken häufig vorkommen.

Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff in der Praxis

Das neue Begutachtungsverfahren soll nun in zwei Modellprojekten auf seine Alltagstauglichkeit und Wirkung getestet werden. Dazu werden zunächst Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung geschult. Ab dem Sommer 2014 werden sie in allen Bundesländern insgesamt rund 4000 Begutachtungen durchführen.

Die Modellprojekte im einzelnen

  1. In der ersten Studie geht es um die Praktikabilität des neuen Begutachtungsverfahrens. In allen Bundesländern werden insgesamt rund 2.000 Begutachtungen in Pflegeeinrichtungen und bei der Pflege zu Hause vorgenommen. Begutachtet wird nach den alten und neuen Regeln. Ziel ist ein repräsentatives Abbild des Begutachtungsgeschehens zu gewinnen, Fragen zur Gestaltung des Umsetzungsprozesses und zur Akzeptanz bei den Versicherten zu beantworten und aktuelle Erkenntnisse über die Verteilung der Pflegebedürftigen in den neuen Pflegegrade zu erhalten. Die Studie wird vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes koordiniert und von der Hochschule für Gesundheit in Bochum wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.
  2. Im Rahmen einer zweiten Studie soll ermittelt werden, welchen Versorgungsaufwand die neuen Pflegegrade in stationären Pflegeeinrichtungen auslösen. Begutachtet werden ca. 2.000 Pflegebedürftige aus rund 40 Pflegeheimen in verschiedenen Bundesländern. Dazu wird jeweils erhoben, welcher zeitliche Aufwand mit der Erbringung der konkreten Pflegeleistungen verbunden ist. Die Studie wird von der Universität Bremen durchgeführt.

Der GKV Spitzenverband wird zu den beiden Vorhaben einen gemeinsamen Projektbeirat bilden, in dem Bund, Länder, Verbände und Wissenschaftler vertreten sind. Die Ergebnisse der Begutachtungen sollen Anfang 2015 vorliegen. Auf der Grundlage der Ergebnisse werden dann die gesetzgeberischen Arbeiten zur Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs beginnen. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff soll noch in dieser Wahlperiode eingeführt werden.

Die wichtigsten Änderungen zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff

Der Expertenbeirat hat in seinem Abschlussbericht im wesentlichen 21 Änderungen vorgeschlagen. Im wesentlichen zielt es darauf eine größere Gerechtigkeit zwischen den Pflegebedürftigen und ihren Bedürfnissen herzustellen und auch eine Unterscheidung zwischen Kindern und Erwachsenen vorzunehmen. Das alte System der Zeitmessung sowie der Prüfung auf nur bestimmte, körperbezogene Verrichtungen entfällt. Zukünftig wird am Grad der Selbstständigkeit gemessen. So soll es erstmals möglich werden körperlich und kognitiv und psychisch beeinträchtigte Pflegebedürftige bei der Begutachtung und Einstufung gleich zu behandeln.

Für Eltern mit besonderen Kleinkindern von 0 bis 18 Monaten wird eine pauschale Einstufung, die der Höhe nach zwischen Pflegegrad 2 und 3 liegen wird, empfohlen. In dieser Altersspanne soll sich die Begutachtung auf eine reduzieren. In vollstationärer Pflege schlägt der Expertenbeirat vor, dass Leistungen nach  § 87b SGB XI allen Pflegebedürftigen zur Verfügung stehen.

Von der Pflegestufe zum Pflegegrad

Natürlich wird und kann der neue Pflegegrad auch Auswirkungen auf bestehende Pflegestufen haben. Zwar empfahl der Expertenbeirat einen Bestandschutz. Ob und in welchem Umfang die Bundesregierung diesem Rat folgen wird, ist noch unklar. Folgende Abbildung gibt Aufschluss:

Tabelle 7: kombinierte Wirkungen von Übergangswahrscheinlichkeiten und Setzung der gegenwärtigen Geldleistungsbeträge als zukünftige Geldleistungsbeträge aus "Bericht des Expertenbeirats zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs" 2013 (c) bmg.bund.de
Tabelle 7: kombinierte Wirkungen von Übergangswahrscheinlichkeiten und Setzung der gegenwärtigen Geldleistungsbeträge als zukünftige Geldleistungsbeträge aus „Bericht des Expertenbeirats zur
konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ 2013 (c) bmg.bund.de

Die gleiche Abbildung gibt es natürlich auch für die Sachleistungen

Tabelle 9: kombinierte Wirkungen von Übergangswahrscheinlichkeiten und Setzung der gegenwärtigen Sachleistungsbeträge als zukünftige Sachleistungsbeträge aus "Bericht des Expertenbeirats zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs" 2013 (c) bmg.bund.de
Tabelle 9: kombinierte Wirkungen von Übergangswahrscheinlichkeiten und Setzung der gegenwärtigen Sachleistungsbeträge als zukünftige Sachleistungsbeträge aus „Bericht des Expertenbeirats zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ 2013 (c) bmg.bund.de

[Update 28.6.2014]

Das 1. Pflegestärkungsgesetz tritt zum Januar 2015 in Kraft und bringt in erster Linie mehr Geld für Behinderte, Demenzkranke und pflegende Angehörige. Details finden Sie natürlich auf dem Portal der familienfreund KG im aktuellen Beitrag.

[Update: 30.01.2015] Erprobungsstudien erfolgreich abgeschlossen!

Am 27.1.2015 wurden die Ergebnisse zu den im Frühjahr 2014 aufgegebenen zwei Erprobungsstudien im Rahmen der dritten Sitzung des Begleitgremiums vorgestellt. Dabei wurde deutlich, dass das neue Begutachtungsverfahren funktioniert. Gleichzeitig gab es wertvolle Hinweise, wo noch Feinschliff nötig ist. Der Bundesgesundheitsminister will nun Tempo machen, um noch im Sommer 2015 den Gesetzentwurf vorzulegen.

Neues Begutachtungsverfahren getestet

Mit der „Praktikabilitätsstudie zur Einführung des neuen Begutachtungsassessments (NBA)“ sollten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI mögliche Probleme bei der Begutachtung frühzeitig aufgedeckt werden. Insgesamt 2.000 pflegebedürftige Menschen in ganz Deutschland wurden nach dem neuen und dem derzeit gültigen Verfahren begutachtet.

Versorgungsaufwendungen in stationären Einrichtungen geprüft

Parallel fand die „Evaluation des NBA – Erfassung von Versorgungsaufwendungen in stationären Einrichtungen“ statt. Das Ziel Hinweise zu erhalten, wie man die zukünftigen Leistungshöhen je Pflegegrad in Abhängigkeit vom Pflegeaufwand ermitteln kann. Bundesweit wurde in rund 40 Pflegeheimen bei knapp 1.600 Personen erfasst, welche Leistungen sie heute bekommen. Die „zweite“ Studie zur „Erfassung des Versorgungsaufwands“ folgt im Laufe des Februars 2015.

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