Familienkolumne: Glaubensfreiheit kontra Schulfrieden

Ist ein Schüler berechtigt, während des Besuchs der Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein Gebet zu verrichten, wenn dies konkret geeignet ist, den Schulfrieden zu stören? Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht Leipzig: „nein“ gesagt. Der Kläger ist Schüler eines Berliner Gymnasiums,  muslimischen Glaubens und verrichtete  in der Pause zwischen zwei Unterrichtsstunden zusammen mit Mitschülern auf einem Flur des Schulgebäudes das Gebet nach islamischem Ritus. Die Schüler knieten dabei auf ihren Jacken, vollzogen die nach islamischem Ritus erforderlichen Körperbewegungen und deklamierten den vorgegebenen Text.

Kein Gebet auf dem Schulgelände

Die Schulleiterin teilte den Schülern darauf hin mündlich und schriftlich mit, dass, die Verrichtung eines Gebets als religiöse Bekundung auf dem Schulgelände nicht erlaubt sei. Auf die daraufhin erhobene Klage hat das VG Berlin festgestellt, dass der Kläger berechtigt sei, während des Besuchs des Gymnasiums außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein islamisches Gebet zu verrichten. Auf die Berufung des beklagten Landes Berlin hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Klage abgewiesen.

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Auch beim Bundesverwaltungsgericht hatte der Kläger keinen Erfolg

Dabei hat das BVerwG nicht festgestellt, dass die Verrichtung eines Gebets in der Schule von der Schulverwaltung generell unterbunden werden kann. Im Gegenteil, aufgrund der grundgesetzlich garantierten Glaubensfreiheit sind Schüler grundsätzlich berechtigt, außerhalb der Unterrichtszeit in der Schule ein Gebet zu verrichten, wenn dies einer Glaubensregel seiner Religion entspricht. .. .die Schule ist vielmehr gehalten, die weltanschaulichen und religiösen Zusammenhänge unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Realitäten zu vermitteln, ohne sie in die eine oder andere Richtung einseitig zu bewerten. Duldet die Schulverwaltung die Verrichtung des islamischen Gebets durch den Kläger, liegt darin keine einseitige Bevorzugung des islamischen Glaubens oder eine Beeinflussung anderer im Sinne dieses Glaubens, die die staatliche Neutralität in Frage stellen könnten.

Einzig der Schulfrieden hat Vorrang

Das Bundesverwaltungsgericht hat dann aber für den konkreten Fall des Klägers entschieden, dass hier aufgrund der Verhältnisse an der von ihm besuchten Schule die Verrichtung des Gebets auf dem Schulflur eine bereits ohnehin bestehende Gefahr für den Schulfrieden erhöhen konnte. Damit ist ein Zustand der Konfliktfreiheit und -bewältigung gemeint, der im Interesse der Verwirklichung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags den ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf ermöglicht. Der Schulfrieden kann beeinträchtigt werden, wenn ein religiös motiviertes Verhalten eines Schülers religiöse Konflikte in der Schule hervorruft oder verschärft. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, an die das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht gebunden war, waren an der vom Kläger besuchten Schule zwischen muslimischen Schülerinnen und Schülern teilweise sehr heftig Konflikte wegen des Vorwurfs ausgetragen worden, nicht den Verhaltensregeln gefolgt zu sein, die sich aus einer bestimmten Auslegung des Korans ergäben.

Ebenfalls nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts würde sich diese ohnehin bestehende Konfliktlage verschärfen, wenn die Ausübung religiöser Riten auf dem Schulgelände gestattet wäre und deutlich an Präsenz gewönne, während erzieherische Mittel allein nicht genügten, den zu erwartenden erheblichen Konflikten ausreichend zu begegnen und den Schulfrieden zu wahren. Die Einrichtung eines eigenen Raums zur Verrichtung des Gebets würde nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die organisatorischen Möglichkeiten der Schule sprengen. (Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.11.2011, BVerwG 6 c 20.10 – Urteil vom 30. November 2011)

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Rechtsanwältin Daniela Jakobi

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