Familienkolumne: Warum gerade ich – Selbstzweifel von Krebspatienten

Diagnose Krebs – viele Betroffene quält die Frage: Warum gerade ich? Der Selbstzweifel von Krebspatienten spielt an vielen Stellen der Behandlung mit rein. Warum diese Frage normal ist, aber nicht zu beantworten, erläutert Professor Dr. Wolfgang Hiddemann. Er ist als Onkologe am Universitätsklinikum Großhadern in München tätig und hat dort den Verein Lebensmut e. V. ins Leben gerufen, der sich um die psychoonkologischen Bedürfnisse und Probleme von Menschen mit Krebs kümmert. familienkolumne.de ist stolz an dieser Stelle das Interview mit Herrn Prof. Dr. Wolfgang Hiddemann zum Thema „Warum gerade ich? – Krebspatienten fragen“ veröffentlichen zu können.

  1. Herr Professor Dr. Hiddemann, warum stellen sich so viele Krebspatienten die Frage, warum ausgerechnet sie von der Erkrankung betroffen sind? Die Frage „Warum gerade ich?“ stellt sich früher oder später fast jeder Krebspatient. verbunden damit ist häufig eine Art Schuldgefühl. Die Betroffenen wollen in sich hinein hören und eruieren, ob sie etwas falsch gemacht haben, ob sie falsch gelebt und dadurch die Krebserkrankung selbst verursacht haben und ob sie für ihr falsches Verhalten nun möglicherweise bestraft werden.
  2. Sind solche Fragen berechtigt? Bei den meisten Krebskrankheiten kennen wir die Ursache nicht. Mit wenigen Ausnahmen, wie dem Rauchen, gibt es in Bezug auf den Krebs somit kaum ein eindeutiges richtig oder falsch hinsichtlich der Lebensführung. es gibt damit auch keine Antwort auf die Frage „Warum gerade ich?“. Eine Krebserkrankung zu entwickeln, ist nach unserer derzeitigen Kenntnis Schicksal und nichts, an dem der Betroffene selbst Schuld hat und womit er bestraft wird.
  3. Was raten Sie Menschen, die von der Frage nach der Schuld an der Krebserkrankung gequält werden? Es gibt tatsächlich Krebspatienten, die durch die Schuldfrage sehr belastet sind. Der Grund hierfür liegt häufig nicht in der Krebserkrankung, sondern in der Persönlichkeit des Menschen und nicht selten in frühkindlichen Erfahrungen. Die Betroffenen sind oftmals so erzogen worden, dass sie sich schuldig fühlen, egal was sie tun. Diese Menschen brauchen besondere Hilfe, um die Krebserkrankung bewältigen zu können.
  4. Die Krebserkrankung aber stellt eine enorme psychische Belastung dar und sie selbst machen sich schon lange für eine gute psychoonkologische Betreuung von Krebspatienten stark. Warum ist die psychologische Unterstützung so wichtig? Der Krebs ist für viele Menschen eine Erkrankung, die sie – anders als einen Knochenbruch oder einen Herzinfarkt – in ihrer Entstehung nicht verstehen und die ihnen dadurch unheimlich erscheint. Es ist zudem eine Erkrankung, die sofort mit den Begriffen Leiden, Sterben und Tod assoziiert wird. Dadurch lässt die Krebserkrankung bei vielen Menschen Urängste wach werden. Nicht selten ist es die Krebsdiagnose, die Menschen zum ersten Mal real mit der Tatsache konfrontiert, dass sie sterben müssen. Der Krebs ist damit mehr als eine körperliche Erkrankung. er ist für viele Menschen eine regelrechte Lebenskrise, die sie aus ihrem psychischen Gleichgewicht bringt. Man schätzt allgemein, dass diese Lebenskrise bei jedem dritten Krebspatienten so gravierend ist, dass eine qualifizierte psychologische Betreuung und Hilfestellung sinnvoll ist. Leider ist das allerdings noch nicht flächendeckend in Deutschland möglich.
  5. Wie wichtig ist die professionelle psychoonkologische Betreuung? Für die betroffenen Patienten ist sie von enormer Bedeutung, um mit der Erkrankung und ihrer Behandlung adäquat fertig zu werden. Ich halte die psychoonkologische Betreuung bei Krebspatienten, die psychisch aus der Bahn geworfen werden, für ebenso wichtig wie etwa eine Chemotherapie. Die Patienten bekommen durch die Betreuung eine andere Einstellung zu ihrer Krankheit und können diese in aller Regel auch besser bewältigen und die Behandlung besser tolerieren.

Herr Professor Dr. Hiddemann, haben sie vielen Dank für das Gespräch.

Jana Schlegel von fachkraeftesicherer.deSie haben Fragen oder benötigen weitere Informationen?
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Das Interview führte Lebenswege, das Forum für Krebspatienten und deren Angehörige.

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